20.05.2025

Wissen

Chemie im Alltag

Hast du dich schon einmal gefragt, was passiert, wenn man Tinte mit einem Tintenkiller ausradiert? Fast jeder kam in der Primarschule mindestens einmal mit einem Tintenkiller in Berührung. Auf den ersten Blick wirkt es wie Magie, ein Strich, und die Tinte ist verschwunden! Doch hinter diesem einfachen Trick steckt eine faszinierende Anwendung der Chemie.

Als ich zum ersten Mal einen Tintenkiller in die Hände bekam, habe ich ihn wie wohl jeder neugierige Schüler für alles Mögliche verwendet- nur nicht für seinen eigentlichen Zweck. Am Ende des Tages hatte ich mehr Tintenkiller auf meinen Händen als auf dem Papier und trug ihn wie eine Art Farbe.

Was mir jedoch besonders im Gedächtnis geblieben ist, war der Geruch. Wer schon einmal Tintenkiller auf der Haut hatte, wird sich daran erinnern,  es riecht leicht unangenehm. Damals habe ich mir nichts weiter dabei gedacht. Aber jetzt, 13 Jahre später, kann ich es endlich einordnen. Dieser Geruch? Definitiv etwas Schwefelhaltiges. Und ich begann mich zu fragen: Was passiert da eigentlich genau mit der Tinte, wenn man diese ausradiert?

Autorin: Aysan Yilmaz

 

Tinte, wie sie im Alltag und besonders von Kindern in der Primarschule verwendet wird, ist ungiftig. Sie besteht aus einer wässrigen Lösung von Molekülen, die sogenannte Chromophore enthalten, die für die Farbe verantwortlich sind. Darüber hinaus enthält Tinte Zusatzstoffe, die den Tintenfluss und die Stabilität verbessern. 

Die genauen Chromophore unterscheiden sich je nach Farbe, aber sie alle besitzen eine wichtige Gemeinsamkeit: ein konjugiertes π-System. 

Anthrachinon, Beta-Carotin, Sudan-I und Kristallviolett sind Beispiele für Farbstoffe mit solchen konjugierten π-Systemen. Sie absorbieren unterschiedliche Wellenlängen im UV-VIS-Bereich, und wir sehen die jeweilige Komplementärfarbe.

Doch was ist ein π-System eigentlich? Moleküle mit einem ausgedehnten π-System besitzen abwechselnd Einfach- und Doppelbindungen mit sp2-hybridisierten Kohlenstoffen. Wenn dieses System gross genug ist, beginnt es sichtbares Licht durch Elektronenanregung zu absorbieren. Unser Auge sieht die Wellenlänge, die nicht vom Chromophor absorbiert wird - also die Komplementärfarbe. Damit die blaue Tinte für uns auch als blau erscheint, absorbiert das Molekül gelb-orange Lichtanteile.

Und was macht nun der Tintenkiller mit der Tinte? Tintenkiller stören dieses konjugierte System der Chromophore durch eine sogenannte nukleophile Addition. Die Wellenlängen, die absorbiert und reflektiert werden, passen dann nicht mehr zur ursprünglichen Farbe der Tinte.

Jede Firma hat ihre eigene Rezeptur für den perfekten Tintenkiller, aber ein gutes Nucleophil erfüllt in der Regel den Zweck. Dieses Nucleophil greift das zentrale Kohlenstoffatom im Farbstoffmolekül an und reagiert damit. Das Ergebnis: Das π-System wird zerstört und die Farbe ist für unsere Augen nicht mehr sichtbar. Im Fall von Kristallviolett zum Beispiel entstehen anstelle eines grossen π-Systems drei kleinere. Das Pigmentmolekül verändert seine Struktur von einer ebenen (planaren) zu einer pyramidenartigen Geometrie, und das zentrale Kohlenstoffatom wird sp3-hybridisiert.

 

Tintenkiller funktionieren also, indem sie das konjugierte π-System durch eine nukleophile Addition stören. Ursprünglich besteht das Chromophor aus einem grossen konjugierten System (blau), das nach der Reaktion in mehrere kleine Systeme (z. B. blau, rot und grün) zerfällt. Vielen Dank an Silas für das ChemDraw-Bild!

An diesem Punkt können wir den Namen des Tintenkillers beschäftigen: Wir „töten“ die Tinte nicht im eigentlichen Sinne, sondern verändern das Molekül so, dass es farblos wird. Eine häufig verwendete Verbindung zur Entfärbung der Tinte ist Natriumsulfit, das als Nukleophil wirkt und auch den schwefligen Geruch erklärt.

Im Chemielabor haben wir versucht, unseren eigenen Tintenkiller herzustellen, um ihn mit handelsüblicher Tinte zu testen. Unsere Version bestand aus in Wasser gelöstem Natriumsulfit, dem wir einige NaOH-Pellets beigemischt haben. Sobald die Tinte mit dem Tintenkiller in Kontakt kam, verschwand die Farbe sofort! Ziemlich cool, oder?

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